Täuschen Smart Meter immer einen höheren Stromverbrauch vor? | Telepolis

2022-10-02 13:17:36 By : Mr. Shangguo Ma

Smart Meter. Foto: U.S. Navy

Energie sparen oder Stromkosten sparen? Die Frage stellt sich ganz konkret, seit mehr und mehr digitale Haushalts-Strom-Zähler installiert werden

Energieeffiziente, kompakte und hoch getaktete Schaltnetzteile werden immer beliebter. Auch die stromsparende LED-Beleuchtung liegt im Trend. Beide bringen jedoch so manchen Smart Meter aus dem Takt. Dann können massive Abweichungen beim angezeigten Stromverbrauch die unerwünschte Folge sein. Vor dem Hintergrund, dass die Politik auch in Deutschland sowohl die Energieeffizienz fördern will, als auch den zügigen Einsatz von Smart Metern fordert, zeigt sich inzwischen ein beachtliches Dilemma. Eine Lösung ist alles Andere als trivial. So mancher spricht schon von der versuchten Quadratur eines Kreises.

Eine Untersuchung von Frank Leferink und Cees Keyer von der Universität Twente (Universiteit Twente) sorgt derzeit für ordentlichen Aufruhr auch bei den deutschen Stromkunden. Nach Aussagen der Niederländer haben sie im Laborversuch festgestellt, dass heute marktübliche Smart Meter ein Vielfaches des in Wirklichkeit vorliegenden Stromverbrauchs anzeigen können. Die Hersteller, die Ihre Messgeräte mit einer CE-Kennzeichnung versehen, sind sich jedoch sicher, dass sie alle in der EU geltenden Vorschriften einhalten.

Sie können daher auch die entsprechenden Konformitätserklärungen vorlegen. Landis+Gyr, der zum japanischen Toshiba-Konzern gehörende Schweizer Marktführer, erklärt daher auch ohne Zögern: "Alle für den europäischen Markt bestimmten Smart Meter erfüllen oder übersteigen sogar die Anforderungen für Teststandards gemäß der Messgeräterichtlinie (Measuring Instruments Directive) der EU. Mit diesen standardisierten Tests werden Präzision, Zuverlässigkeit, Langlebigkeit und Sicherheit der Geräte sichergestellt".

Die Erkenntnis, dass es bei Smart Metern zu Messfehlern kommen kann, obwohl diese alle in der EU geltenden Vorschriften erfüllen und die CE-Kennzeichnung zu recht tragen, ist keinesfalls neu. Auch wenn dies der derzeitige Rummel um dieses Thema vermuten lassen könnte.

Dass digitale Stromzähler deutliche Messabweichungen zeigen können, ist schon seit mehr als zehn Jahren bekannt. Festgestellt wurden bislang jedoch immer nur Abweichungen nach unten. Entsprechend wenig Resonanz fand das Thema außerhalb der Stromversorger-Szene. Die jetzt an die Öffentlichkeit gekommene niederländische Studie aus dem vergangenen Jahr hat jedoch im Labor einen bis zu sechsfachen angezeigten Mehrverbrauch nachgewiesen.

Die Eichdauer für elektronisch Zähler beträgt acht Jahre. Bei den bislang üblichen Ferraris Zählern sind es 16 Jahre. Dann wird jedoch nur eine Stichprobe von meist einem von 1000 Zählern einer Charge überprüft. Zeigen sich bei den geprüften Zählern keine Fehler, werden die anderen 999 ohne neue Eichung weiter betrieben. Die Eichung wird von sogenannten beliehenen Stellen durchgeführt. Dies sind in der Regel die Messstellenbetreiber, die zumeist aus einem Elektrizitätsversorgungsunternehmen hervorgegangen sind. Auch bei Ferraris-Zählern kann es Mess-Abweichungen geben. Dies hängt nicht zuletzt mit der jeweils aktuellen Netzspannung zusammen. So darf die Netzspannung vom nominalen Wert 230 Volt nach oben um 10 Prozent abweichen. Dies führt dann auch zu einem entsprechenden gemessenen Mehrverbrauch.

Digitale Stromzähler kommen mit einer Konformitätserklärung des Herstellers auf den Markt. Dass die Smart Meter nach acht Jahren neu geeicht würden, ist bislang nicht bekannt. Üblich scheint der Austausch gegen einen neuen Zähler zu sein. Eine Aufarbeitung gebrauchter Smart Meter durch Austausch von Komponenten, wie es bei Ferraris-Zählern gebräuchlich ist oder ein Software-Update, sind aus wirtschaftlichen Gründen in der Praxis nicht darstellbar.

Einerseits gibt es zu viele unterschiedliche Smart Meter am Markt und zum Anderen ist die technische Entwicklung acht Jahre nach dem Einbau eines digitalen Zählers soweit fortgeschritten, dass die damals verbaute Technik sowohl hinsichtlich der Hardware als auch der Software weitgehend veraltet ist. Zudem kann man davon ausgehen, dass bei den Messstellenbetreibern nach acht Jahren kaum noch Wissen um die Technik der alten Schätzchen anzutreffen ist. Dass die bislang schon verbauten Smart Meter jetzt vor Ablauf ihrer Eichzeit ausgetauscht werden könnten, scheint ein illusorische Hoffnung zu sein.

Wie bei EU-Vorschriften üblich, wurde auch bei den Smart Metern das Ziel festgelegt, nicht jedoch die konkrete technische Umsetzung. Daher werden bei den Smart Metern heute unterschiedliche technische Aufbauten eingesetzt, die bei den in den Prüfvorschriften genannten Bedingungen, die festgelegten Toleranzen nicht überschreiten. Die Frage, ob die in den Vorschriften genannten Bedingungen der heutigen Situation im häuslichen Stromnetz noch gerecht werden, kann klar verneint werden.

Als die Prüfungsbedingungen für Smart Meter festgelegt wurden, gab es praktisch keine Störer im Bereich zwischen 2 und 150 kHz. Daher gab es für diesen Frequenz-Bereich keine Prüfnorm. Das war durchaus so beabsichtigt. Dass sich die Situation inzwischen verändert hat und es heute zu Interferenzen kommt, ist schon seit Jahren bekannt. Will man die Smart Meter in diesem Punkt stärker vor "irritierenden" Störungen schützen, die von den Störern im häuslichen Stromnetz ausgehen, werden die Zähler jedoch deutlich teurer.

Der Einsatz von Stör-/ Sperrfiltern zwischen Zähler und häuslichem Stromnetz, könnte durchaus Abhilfe schaffen. Diese sind jedoch nicht zuletzt aufgrund des für die Filter benötigten Kupfers nicht gerade billig. Und hier zeigt sich die grundsätzliche Zwickmühle der derzeitigen Entwicklung: Aus wirtschaftlichen Gründen sind die Zähler gerade gut genug, um die Vorschriften einzuhalten. Die Entwicklung der Technik auf der Seite der elektrischen Geräte sorgt jedoch für immer mehr Störungen. Die klassische Sinus-Kurve wird immer stärker zerhackt.

Nach dem heutigen Stand der Erkenntnisse werden die im Cenelec-Standard CLC TR 50579 beschriebenen und auch vom Ausschuss für Messgeräte der EU-Kommission akzeptierten Zusatzanforderungen und Prüfmethoden für den Bereich 2-150 kHz als ausreichend betrachtet.

Die Störopfer sind hier ganz eindeutig die Smart Meter. Daher wünscht man sich auf Seiten der Hersteller nachvollziehbarerweise möglichst wenig Störungen im Netz. Je geringer die Störungen, desto geringer ist der Aufwand, den Smart Meter davor zu schützen. Doch so einseitig sollte man die Situation nicht betrachten. Die Zunahme der Störer in den häuslichen Netzen folgt einem Trend, der wie oben schon erwähnt, gesellschaftlich durchaus erwünscht ist und politisch gefordert wird: Effiziente Schaltnetzteile, Energiesparlampen und LED-Beleuchtung.

Bei den Schaltnetzteilen geht die Tendenz zu immer höher getakteten Einheiten. Das hat zwei Vorteile: Die Netzteile werden kleiner und leichter. Damit einher geht die Reduzierung des im Netzteil benötigten Kupfers. Und das wiederum sorgt für geringere Kosten bei der Materialbeschaffung. Dafür steigt dann der Aufwand für die Entstörung. Die erforderlichen Entstörfilter fallen jedoch gerne dem spitzen Bleistift der Kaufleute zum Opfer, obwohl sie im Platinenlayout vorgesehen sind.

Emissionen, die viele dB über den Grenzwerten in den einzuhaltenden Normen liegen, sind das Ergebnis des Kostendrückens. Diese Emissionen führen zu massiven Funk- und Funktionsstörungen bei anderen elektronischen Geräten. Zu diesen zählen auch die Smart Meter. Diese sind dann plötzlich gar nicht mehr so smart, sondern ausgemachte Sensibelchen, wenn sie in einer harten elektromagnetischen Umgebung arbeiten sollen.

Auf der anderen Seite wird das Stromnetz auch verstärkt zur Datenkommunikation über Powerline (PLC) genutzt, was die "Verschmutzung" des Netzes verstärkt. Die daraus folgenden Störungen sind systembedingt und lassen sich daher nicht vermeiden.

Wer jetzt als Endkunde der Ansicht ist, möglichst billig und am Besten direkt China einzukaufen, sollte sich nicht wundern, wenn er minderwertige Ware bekommt, die massive Störungen im Netz aussendet. Wenn die billigen Netzteile oder LED-Leuchten überhaupt entstört sind, dann werden vielfach unterdimensionierte Komponenten verbaut. Deren Wirkung lässt zudem im Betrieb schon bald deutlich nach. Dann beginnt der Störer verstärkt zu stören.

Bei den politischen Vorgaben und dem geplanten Roll-out scheint sich Nichts zu ändern. Auch bei den schon installierten digitalen Zählern wird sich innerhalb ihrer Eichzeit von acht Jahren nichts ändern. Ja sogar bei den in der näheren Zukunft noch installierten Zählern, dürfte es keine Änderungen geben. Wer sich vor Fehlmessungen schützen will, kann in seiner Hausinstallation einen Stör-/ Sperrfilter zwischen Zähler und Sicherungskasten in Erwägung ziehen. Wann Filter für diesen Zweck am Markt verfügbar sind, ist derzeit noch offen.

Zumindest auf der wissenschaftlichen Ebene sollte es jedoch in den nächsten Jahren zu deutlichen Erkenntnis-Fortschritten und letztlich auch zu brauch- und umsetzbaren Lösungsvorschlägen kommen. So hat das Nederlands Metrologisch Instituut (VSL) in Dordrecht im Rahmen des EU-Programms "European Research on Metrology (EMPIR) ein Projekt unter dem Titel "Electromagnetic Interference (EMI) on Static Electricity Meters" eingereicht, an welchem auch metrologische Institute anderer EU-Mitgliedsstaaten beteiligt sind.

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